Einzigartige Originalcharaktere zeichnen

Originalcharaktere

Jeder, der Manga oder Illustrationen zeichnet, verspürt früher oder später den Drang, seine eigenen Figuren zu erschaffen. Erfahre alles was du wissen musst!

 

Wenn man normalerweise Fanart oder Fanfiction zeichnet und jetzt zum ersten Mal ein Originalwerk kreieren möchte, kommen meist zuerst diese zwei Fragen auf.

 

  • Wie erstelle ich ein Originalwerk?
  • Welche Art von Figur soll ich zeichnen?

 

Im Folgenden wird die Vorgehensweise zur Erstellung eines Originalcharakters anhand dieser zwei Charaktere erläutert.

 

 

 

1. Persönlichkeit

Das Wichtigste beim Erstellen eines Charakters ist die Persönlichkeit.

 

Vielleicht denkst du dir jetzt: „Ich bin Illustrator und habe kein Interesse daran, Manga zu zeichnen. Meine Figuren brauchen also keine Persönlichkeit.“ Wenn man aber nur über das Aussehen nachdenkt, kann man sich gar nicht vorstellen, welcher Gesichtsausdruck und welche Körperhaltung zu der Figur passt. Denn dafür braucht sie eine Persönlichkeit. Andernfalls endet es oft so, dass man immer wieder ein- und denselben Charakter zeichnet.

 

Ein Charakter braucht eine Seele, um eine Originalfigur zu werden, und seine Seele ist die Persönlichkeit.

 

 

1.1 Hauptcharaktereigenschaften bestimmen und dann ins Detail gehen

Es ist ziemlich schwierig, wenn man versucht, sich alle Charakterzüge auf einmal auszudenken. Überlege dir also erst die Haupteigenschaften, und gehe dann nach und nach ins Detail.

 

Erste Überlegungen:

 

  • Welche Rolle würde die Figur in einer Geschichte spielen? (Protagonist, Antagonist, Nebenrolle etc.)
  • Welchen Hintergrund hat die Figur? Ist es eine Comicfigur? Was für eine Weltanschauung hat sie? Gibt es ein bestimmtes Motiv, nach dem sie gestaltet wird?
  • Geschlecht, Alter
  • Persönlichkeit

 

Von all diesen Dingen ist die Persönlichkeit am wichtigsten. Achte aber darauf, dass du dir nicht zu viele Eigenschaften auf einmal ausdenkst, sondern entscheide dich erstmal nur für 2 bis 3 Hauptmerkmale.

 

Stelle dir hierfür die Frage, wie man deinen Charakter mit einem Wort beschreiben könnte. Denke dabei an grundlegende Charaktereigenschaften wie egoistisch, zickig, emotional, leidenschaftlich, und so weiter. Nachdem du dich für ein Hauptmerkmal entschieden hast, kannst du dir daraus weitere Eigenschaften ableiten.

 

Beispielsweise könnte man „egoistisch“ durch „wählerisch“ oder „von anderen gehasst“ genauer spezifizieren. Auf diese Weise bleibt der Charakter konsistent. Wenn der Charakter nicht konsistent ist, also wenn z. B. jemand „verärgert“ und zugleich „nett“ ist, weiß man nicht, wie er in einer bestimmten Situation reagiert. Das ist verwirrend und hat zur Folge, dass der Charakter wenig bis gar keinen Eindruck hinterlässt.

 

 

1.2 Eine einzigartige Persönlichkeit erschaffen

Sich die Hauptcharaktereigenschaften zu überlegen und diese dann genauer zu spezifizieren, ist nur der Anfang. Damit ein Charakter seinen Reiz bekommt, muss man ihm eine Geschichte geben, oder eine unerwartete Eigenschaft, die im Kontrast zum eigentlichen Charakter steht.

 

Eine unerwartete Eigenschaft widerspricht zwar der oben genannten Konsistenz, aber sie kann einem Charakter mehr Tiefe verleihen. Es wirkt menschlich, wenn jemand eine andere Seite von sich zeigt, die seinen Hauptcharaktereigenschaften widerspricht, wie z. B. ein egoistischer Mensch, der manchmal auch uneigennützig handelt, oder eine kalte und abweisende Person, die sich unter bestimmten Umständen liebenswert und zerbrechlich zeigt. Ein zu großer Widerspruch würde jedoch die Kerneigenschaft des Charakters in Frage stellen. Daher sollte sich die unerwartete Eigenschaft nur auf spezifische Situationen beziehen, wie in den obigen Beispielen.

 

Jeder Charakter braucht außerdem eine Geschichte. Gemeint sind Erfahrungen aus der Vergangenheit, die den Charakter so geformt haben, wie er jetzt ist. Hierzu zählen z. B. familiäre Umstände, die Lebensweise oder eventuelle Wendepunkte im Leben. Auch wenn die Geschichte selbst niemand sehen kann, wird durch sie eine glaubwürdige Grundlage für das Handeln eines Charakters geschaffen.

 

Nehmen wir zum Beispiel einen 16-jährigen Charakter: Indem du überlegst, was in seinen 16 Lebensjahren alles passiert ist, kannst du seine bis dahin vage Persönlichkeit auf konkrete Begründungen stützen und erzeugst dadurch einen Charakter, der viel realer wirkt.

 

Versuchen wir nun eine Originalfigur in der Praxis zu erstellen! Hier werden wir einen Jungen und ein Mädchen aus einer Fantasy-Welt erstellen.

 

 

Der Junge ist ein eingeschüchterter Magier, und das Mädchen ist eine edelmütige Kampfsportlerin.

 

Nutze solche grundlegenden Eigenschaften als Leitfaden, und überlege dir dann erst während des Zeichnens weitere Persönlichkeitsmerkmale.

 

Du musst also nicht von Anfang an alle Charakterzüge kennen. Gestalte deinen Charakter lieber Schritt für Schritt, indem du auf deiner Grundidee aufbaust. Beim Zeichnen werden dir dann auf ganz natürliche Weise neue, spezifischere Eigenschaften einfallen.

 

 

2. Äußeres Erscheinungsbild

Nachdem die Persönlichkeit feststeht, können wir uns das Aussehen der Figur überlegen.

 

Dieses darf nicht im Widerspruch zu der Persönlichkeit stehen. Zum Beispiel würde ein extrem mädchenhaftes, niedliches Aussehen nicht so gut zu einer Kämpferin passen. Vielleicht könnte es als „unerwartete Eigenschaft“ funktionieren, aber in den meisten Fällen wirkt es widersprüchlich und seltsam.

 

Überleg dir am besten zuerst wieder einige Hauptmerkmale und gehe von dort aus weiter ins Detail.

 

Überlegungen für das Aussehen:

 

  • Körperform (Größe, Gewicht, Brustgröße, Muskeln, auffällige Körpermerkmale)
  • Gesichtszüge (Augenform, Gesichtsform)
  • Haare
  • Kleidung
  • Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Bewegung

 

Schreibe alles auf, was dir zu der Liste oben einfällt, während du zeichnest.

 

Unser Junge ist hier ein Magier, daher trägt er einen Umhang. Um seinen schüchternen Charakter darzustellen, ist er außerdem klein und trägt eine Brille. Das Mädchen trägt eine Kampfsportuniform und sieht japanisch aus.

 

Es ist okay, wenn der Charakter in diesem Stadium noch wie eine typische Nullachtfünfzehn-Figur aussieht. Erstmal brauchen wir nur eine grobe Skizze, auf der wir aufbauen können.

 

 

2.1 Individualität über das Aussehen ausdrücken

Nachdem die grobe Idee feststeht, kannst du dir das Outfit genauer überlegen und einzigartige äußere Merkmale hinzufügen. An dieser Stelle entsteht aus der gewöhnlichen Nullachtfünfzehn-Figur ein echter „Originalcharakter“.

 

Der Schlüssel dabei ist, visuelle Elemente zu erzeugen, die in Erinnerung bleiben, wie z. B. eine bestimmte Farbe oder ein Motiv. Bei einem Schmetterling-Motiv könnte man zum Beispiel auch auf der Kleidung oder den Accessoires Schmetterlinge hinzufügen. Selbst einem Mädchen in gewöhnlicher Schuluniform kann man eine persönliche Note verleihen, indem man ihr z. B. eine besondere Frisur oder ein außergewöhnliches Objekt in die Hand gibt.

 

Um sich über die Alleinstellungsmerkmale eines Charakters klar zu werden, kann es auch helfen, eine Miniatur-Version („Chibi“) wie im Bild unten zu zeichnen. Die Merkmale, die dabei am größten dargestellt werden, sind die charakteristischsten Eigenschaften der Figur.

 

 

 

Versuche auch, Bewegungen und Posen einzusetzen, die zur Persönlichkeit deiner Figur passen. Ein jungenhaftes Mädchen könntest du zum Beispiel mit Hosen und in einer männlichen Körperhaltung darstellen.

 

 

2.2 Individualität und Übertreibung

Sowohl bei der Persönlichkeit als auch beim Aussehen ist es wichtig zu übertreiben.

 

Denn schließlich erschaffst du eine fiktive Welt. Gewöhnliche Standard-Charaktere üben auf den Betrachter wenig Reiz aus – außergewöhnliche Charaktere sind viel faszinierender! Wenn dein Charakter zum Beispiel zickig und streitsüchtig sein soll, kannst du dies mit einer extrem ungeselligen, schlecht gelaunten und griesgrämigen Persönlichkeit oder im äußeren Erscheinungsbild durch einen viel zu langen, übertrieben voluminösen Pferdeschwanz ausdrücken.

 

Gehe nach solchen Grundsätzen vor, um einen wirklich individuellen Charakter zu erschaffen.

 

 

 

3. Charaktere in Bewegung setzen

Gib deinen Figuren zum Schluss passende Gesichtsausdrücke und Posen, um sie lebendiger zu machen.

 

 

Beschränke dich dabei nicht auf das verallgemeinerte Prinzip „Lachen bei Glück und Weinen bei Trauer“, denn jeder Charakter lacht und weint auf seine ganz eigene Art. So gibt es zum Beispiel auch fröhliche Menschen, die sich im Stillen freuen statt laut zu lachen, oder schüchterne Leute, die versuchen ihre Verlegenheit mit Wut zu überspielen.

 

 

Extra Tipp: Wenn sich das Aussehen deiner Figur nur schwer auffällig gestalten lässt, dann mach dafür die Persönlichkeit umso interessanter!
Bei Charakteren in Uniform ist es oft besonders schwer, ihre Individualität über das Aussehen darzustellen. (Über Accessoires oder der unten drunter getragenen Kleidung ist es aber trotzdem möglich!) In solchen Fällen ist es wichtig, sich noch mehr auf die Persönlichkeit zu konzentrieren.
Spiele mit emotionalen Feinheiten oder kombiniere realistische mit unrealistischen Persönlichkeitsmerkmalen, um etwas Besonderes zu erschaffen.
Beginne mit einem Originalcharakter und erstelle dann nach und nach weitere.
Lass sie miteinander interagieren, überlege dir eine Geschichte dazu und erschaffe so eine ganz neue Welt! Probiere es aus und erstelle deine ganz eigenen Originalcharaktere!

 

Text: Tokio
Illustration: Suga
Werk: BeCom

 

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