Das wunderschöne Haar einer Märchenprinzessin zeichnen

Zeichne eine Prinzessin wie aus dem Märchen

In diesem Tutorial erfährst du Schritt für Schritt, wie die Illustratorin Svetlana Tigai das fließende, schimmernde Haar einer Prinzessin strukturiert, schattiert und detailliert zeichnet!

Ideenfindung

In diesem Frühjahr kaufte ich „Among the Elves and Trolls“ (dt.: Unter den Elfen und Trollen), ein Märchenbuch der skandinavischen Folklore mit Illustrationen des berühmten schwedischen Künstlers Jon Bauer. Die Märchen sind wundervoll und die Illustrationen sehr stimmungsvoll und authentisch. Als ich gebeten wurde, etwas aus der europäischen Mythologie zu zeichnen, dachte ich sofort an dieses Buch. In der skandinavischen Folklore gibt es eine traditionelle Erzählung, in der ein schönes Mädchen oder eine junge Prinzessin nach ihrem verlorenen Bruder (manchmal auch ihren Brüdern) oder ihrem Liebhaber sucht. Sie geht in den meisten Erzählungen durch einen schrecklichen Wald, in dem viele Hindernisse auf sie warten. Auf ihrem Weg kommt natürlich Magie ins Spiel, und die freundlichen Geister des Waldes helfen ihr. Ich mag den Kontrast zwischen dem hellen Bild eines Charakters und einer unfreundlichen, beängstigenden Umgebung. Inspiriert von Bauer‘s Gemälden beschloss ich meine Figur jung und goldhaarig zu zeichnen, um ihre Reinheit und Unschuld zu betonen.

 

In diesem Tutorial erfährst du wie du die Haare als Teil deines Illustrationsprozesses zeichnen kannst. Ich habe CLIP STUDIO PAINT verwendet, aber die gleichen Techniken können auch mit anderen Programmen verwendet werden.

 

 

Aufteilung der Illustration

1. Grobe Skizze

Ich beginne immer mit einer groben Skizze auf einer neuen Ebene. Dabei versuche ich nicht, die perfekten Linien zu schaffen und arbeite auch nicht an kleinen Details. Klare Linien sind in dieser Phase nicht sinnvoll, da diese Ebene später gelöscht wird. Zunächst ist nur ein Layout für die Komposition wichtig – ich versuche, meine Idee auf die Leinwand zu bringen.

 

Nun, in meinem Kopf habe ich das Bild von einer langhaarigen Prinzessin, gekleidet in einem atemberaubenden bauschigen Kleid mit ungeheuren ballonförmigen Ärmeln. Diese Silhouette der Kleidung, eine sanfte Gesichtsform, rosige Wangen, runde große Augen und lockeres Haar betonen ihre Jugend. Ich konzentriere mich auf Charme und Anmut, nichts sexuelles.

 

 

2. Helligkeit

Nachdem ich die Hauptlinien gezeichnet habe, beginne ich, die verschiedenen Ebenen der Illustration einzurichten. Als erstes erstelle ich eine neue Ebene, um die Haare des Mädchens zu zeichnen. Die unterste Ebene lasse ich für den Hintergrund.

 

 

Sehr grob und mit simplen großen Flecken trage ich die ungefähren Farben auf. Ich gehe dabei lieber von dunkel zu hell.

 

Mit einer Airbrush mit großem Durchmesser skizziere ich einfache Bereiche mit unterschiedlicher Helligkeit. Je nach meinen Bedürfnissen, wechsle ich den Pinselmodus manchmal von normal auf multiplizieren, weiches Licht oder Überlagern.

 

 

Da sich die Figur auf einer separaten Ebene befindet, sperre ich den Alphakanal (Transparenz), damit ich die Striche, die über die Form der Figur hinaus gezeichnet wurden, nicht nachbessern muss.

 

 

Nachdem ich mich für die Farbpalette und die grobe Helligkeitsaufteilung entschieden habe, gehe ich zu einer groben Silhouette und „lesbaren“ Elementen über und beginne mit einer detaillierteren Zeichnung. Damit mich die Bleistiftlinien nicht stören, entferne ich sie allmählich, indem ich die Transparenz der Ebene auf 45% reduziere. Dann entferne ich mit einem weichen Radiergummi alle Linien, die ich nicht mehr benötige. Infolgedessen bleiben ein paar Linien auf dem Gesicht und den Händen zurück. Ich wähle dann die Ebene mit der Skizze und der Figur aus, und füge sie zusammen.

 

 

Während des Prozesses spiegle ich die Leinwand beim Zeichnen ständig entlang der horizontalen Achse. Das hilft mir, kompositorische und proportionale Fehler zu vermeiden. Um die gesamte Anordnung zu sehen, müssen wir alles gleichzeitig zeichnen.

 

 

3. Lichtquelle hinzufügen

Für diese Zeichnung habe ich eine Lichtquelle, die frontal von oben scheint, gewählt. In Kombination mit dem dunklen Hintergrund wird der hellste Bereich das Gesicht des Charakters ausmachen und wird so zum Mittelpunkt. Da es sich um eine erzwungene Lichtquelle handelt, ähnelt sie eher einer Glühbirne, die über dem Kopf hängt. Ich nenne diesen Effekt theatralisches Licht und wende es für diese Illustration absichtlich an, in der Hoffnung, die märchenhafte Atmosphäre besser auszudrücken.

 

 

4. Haare zeichnen

Das Geheimnis des Zeichnens von schönen Haaren besteht nicht darin, benutzerdefinierte Pinsel, die einzelne Haarsträhnen imitieren, von Beginn an zu verwenden. Solche Pinsel werden nur für die Details und den Feinschliff benötigt. Ich empfehle, harte Pinsel zu verwenden, um Kontrast und Licht zu erzeugen. Da harte Pinsel einfach sind, verwirren sie dich nicht und lenken dich nicht mit Details ab. Ich rate auch davon ab, am Anfang Pinsel mit sehr kleinem Durchmesser zu verwenden.

 

 

Weiches, dickes, langes Haar ist sehr weiblich und schön. Hier möchte ich nicht den Effekt künstlicher Locken erzeugen. Ich werde eher natürlich aussehende Wellen zeichnen. Um ihre Form etwas voluminöser zu gestalten, nehme ich das Airbrush-Tool und schalte den Pinselmodus auf „Farbig abwedeln“ um und male Highlights mit horizontalen Linien. Diese erzeugen jedoch einen zu satten und lebhaften Glanz, daher ändere ich den Pinselmodus auf Farbe und wähle mit einer Pipette einen gedeckteren Ton aus. Einige Highlights scheinen mir zu kontrastreich, weshalb ich den Übergang von Dunkel zu Hell fließender mache, indem ich den Pinselmodus auf „Abdunkeln“ ändere.

 

5. Arm- und Haar-Ebenen trennen

Wenn ich eine grobe Skizze einer Figur mit Farbe, Licht und Hauptschatten habe, teile ich sie meist in 3-4 Ebenen auf. Mit dem Lasso-Tool wähle ich die Hände aus und dupliziere die Auswahl auf einer separaten Ebene mit dem Kopieren-Symbol im Auswahlmenü.

 

 

Um die Konturen der Hände besser unterscheiden zu können, fülle ich sie mit der [Ebenenfarbe] Blau. Ich verschiebe diese Ebenen auch in einen separaten Ordner, um die Arbeit mit Objekten zu erleichtern, die sich hinter den Händen befinden.

 

 

Ich wiederhole den Vorgang mit den Haaren und kann dann mit der Arbeit an Kleid und Gesicht der Figur beginnen.

 

 

6. Gesicht und Hals zeichnen

Nachdem die Ärmel geformt sind, beginne ich mit dem Gesicht. Für die Wangen, die Stirn und den Nacken benutze ich oft das Airbrush-Tool im Modus „Weiches Licht“, um den rötlichen Schimmer zu verstärken.

 

 

7. Das Kleid zeichnen

Ich mag das Zeichnen von Seidenstoff sehr. Mit der Pipette wähle ich eine Farbe aus einen dunklen Bereich auf und mache einen langen, leicht gekrümmten Strich in die entgegengesetzte Richtung zum hellen Bereich. Danach nehme ich einen hellen Farbton auf und ziehe den Pinsel über denselben dunklen Bereich, wodurch klare Ränder entstehen. Da Seidenstoffe eine glatte und glänzende Oberfläche haben, darfst du die Reflexionen nicht vergessen. Normalerweise befinden sich die dunkelsten Stellen an der Grenze zwischen Licht und Schatten.

 

Nachdem ich mit dem Rock fertig bin, wende ich mich dem Mieder zu und zeichne so etwas wie einen Seidenborte. Ich male Highlights, wobei ich darauf achte, wo die Oberfläche der Lichtquelle am nächsten kommt.

 

 

Um das Kleid interessanter zu machen, habe ich beschlossen, es zweifarbig zu machen. Ich wähle den mittleren Teil des Kleides mit dem Lasso aus, erstelle eine neue Ebene und fülle den ausgewählten Bereich mit einer beliebigen Farbe. Dann schalte ich die Ebene in den Modus [Weiches Licht], gehe zu [Bearbeiten] und [Farbkorrektur]; dann spiele ich mit den Schiebereglern. Ich komme zu dem Schluss, dass Grün diesmal am besten passt.

 

 

Ergänzend zeichne ich Dekorationen am Mieder. Für diesen Zweck eignet sich hier besonders ein Pinsel in Perlen-Form. Zuerst zeichne ich einen Schatten aus Perlen und erst danach die Perlen selbst.

 

 

 

Ich möchte das Kleid interessanter machen, aber ich möchte nicht, dass es zu viel Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Ich mag die Idee mit einem verborgenen Muster. Dazu erstelle ich eine neue Ebene und zeichne ein einfaches dunkelgrünes Muster. Dann sperre ich den Alphakanal (Transparenz) der Ebene und hebe Bereiche hervor, auf die Licht fällt. Ich male auch einen dünnen Rand auf dem gemusterten Stoff.

 

 

8. Ausbessern der Haare

Meine Figur ist in drei Teile gegliedert. Ich bin mit dem ersten Teil fertig und gehe zum nächsten über – den Haaren. Ich liebe diese Phase. Meine Bewegungen sind fließend, als würde ich die Haare kämmen und eine Frisur kreieren. Es ist wie eine Kunsttherapie – Strähnchen in einem harmonischen Rhythmus zeichnen und Dynamik mit den Linien erzeugen. Auch in diesem Stadium füge ich hellere Töne hinzu, um die Lichtquelle zu betonen und das Haar zum Leuchten zu bringen.

 

Ich benutze eine einfache Methode, um das Haar in Strähnen zu unterteilen. Mit der Pipette wähle ich einen dunklen Bereich des Haares aus. Dann mache mit einem Pinsel, dessen Transparenz am Stiftdruck gebunden ist, einen langen, schwungvollen Strich in die entgegengesetzte Richtung hin zum hellen Bereich. Danach nehme ich aus dem selben Bereich mit der Pipette einen hellen Farbton auf und ziehe den Pinsel zum dunklen Bereich. Daraus wird deutlich, dass ich zuerst einen Schatten von der Strähne und dann die tatsächliche Strähne zeichne.

 

Ich hebe für mich selbst immer deutlich die dunkelsten und die hellsten Stellen hervor. Am häufigsten ist dieser Bereich um das Gesicht herum. Während des gesamten Vorgangs versuche ich, diese Bereiche am dunkelsten und am hellsten zu halten. Dies geschieht, um den Schwerpunkt zu betonen und Volumen und Planung nicht zu zerstören.

 

Wenn ich die großen Wellen der Haare zeichne, vereinfache ich ihre Form in runde Haarbündel und flache Streifen. Auf diesem Weg kreiere ich die Form der Haarmasse. Wenn man Haare als geometrisches Objekt wahrnimmt, ist es viel einfacher, mit Licht und Schatten zu arbeiten und das richtige Volumen zu erzeugen. Ich weiß immer, wo jeder Strang beginnt, wo er sich mit anderen Strähnen verbindet oder abweicht. So vermeide ich Ungenauigkeiten und, wenn man es so sagen kann, logische Fehler.

 

Jetzt nehme ich einen eigens kreierten Pinsel und beginne, dünne Strähnen zu zeichnen, die sich aus der Masse des Haares hervorheben.  Dieser Pinsel ist dichter, aber ziemlich weich. Dies ist ein Pinsel für dünne Strähnchen. Damit trenne ich die Strähnen von der gesamten Haarmasse und benutze auch den Radierer, um die Spitzen zu trennen.

 

 

Jetzt verkleinere ich langsam den Durchmesser des Pinsels für Details. Ich arbeite weiter an dünnen Strähnen, aber ich versuche nicht zu viele aus der allgemeinen Haarmasse herauszulösen. Diese Strähnen werden benötigt, um die Plastizität zu entfernen und dem Haar ein realistischeres Aussehen zu verleihen. Das funktioniert nicht immer beim ersten Mal. Ich kann nicht empfehlen, schnell und willkürlich irgendwelche Strähnen zu zeichnen. Sie würden zwar spontan und zufällig in der endgültigen Version aussehen, aber man sollte doch besser die ideale Position für jede Strähne auswählen.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Balance. Zu viele Strähnchen lassen die Frisur zerzaust wirken. Die freien Enden sollten in Haarwuchsrichtung gelegt werden und nicht umgekehrt. Andernfalls kann es den Effekt von zerzausten Haaren in der Mitte haben. Es ist auch darauf zu achten, dass die Strähnen die Gesamtform einer Frisur nicht verändern. Ihr Zweck ist nur zu betonen. Indem ich einzelne Haare zeichne, folge ich der Richtung der gesamten Haarmasse, die nur leicht in verschiedene Richtungen abweicht.

 

Oft erstelle ich eine neue Ebene ZWISCHEN der Ebene mit den Strähnen und der Ebene des Hauptbildes. Ich habe diese neue Ebene in den [Multiplizieren]-Modus gesetzt. Dann nehme ich eine Airbrush mit kleinem Durchmesser und benutze die Pipette, um eine Farbe aus dem hellen Bereich zu entnehmen. Dann beginne ich, den durch die direkte Lichteinstrahlung verursachten Schatten und den Schatten zwischen Strähnen und Haupthaar zu zeichnen. Je geringer der Abstand zwischen Haaren und Kleidungsstück, auf den der Schatten fällt, ist, desto stärker und dunkler sollten dieser Schatten sein. Um diese Stärke zu erreichen, benutze ich einen Radierer mit harten Rändern und entferne in einigen Bereichen die weichen Airbrush-Ränder. Die Schatten sollten den Bewegungsablauf des Kleidungsstückes wiedergeben und nicht das Objekt, das diesen Schatten erzeugt.

 

 

9. Hände zeichnen

Nachdem ich mit den Haaren fertig bin, gehe ich zum letzten Teil über –  die Hände. Sie scheinen etwas größer zu sein, als sie sein sollten, also passe ich die Größe an. Mit dem Radierer richte ich die Linien aus und male die Details mit einem Pinsel mit kleinem Durchmesser.

 

 

10. Ausbessern

Auf einer neuen Ebene zeichne ich Haarsträhnen um Gesicht und Hände.

 

 

Ich schließe den Hintergrund ab, ohne auf Details einzugehen. Ich mache ihn etwas dunkler, füge aber auch Himmel und Sterne hinzu.

 

 

Jetzt scheint die Figur aber nicht mehr in die Umgebung zu passen. Dies liegt an den harten Rändern. Im [Multiplizieren]-Modus arbeite ich mit der Airbrush an den Rändern der Figur. Auf einer separaten Ebene wiederhole ich den Vorgang, aber mit einer hellen farbe – ich zeichne eine Art Glanz, der vom Mädchen ausgeht. Und damit habe ich eine Verbindung zwischen dem Hintergrund und der Figur.

 

 

Das helle Kleid und die goldene Krone entsprechen der traditionellen Braut-Look in Schweden. In dem Märchen verteilt das Mädchen häufig ihren Schmuck an Elfen und Trolle, um Hilfe zu erhalten.

 

Nachdem ich den Schmuck gezeichnet habe, füge ich eine Art Goldperlen-Textur hinzu und zeichne die Details ein.

 

 

11. Magische Effekte zeichnen

In der skandinavischen Mythologie gibt es die Legende, dass Vergissmeinnicht-Blumen aus den Tränen einer Braut wuchsen, die weinte, als sie sich von ihrem Verlobten trennte. In dieser Illustration bringt die Magie der Liebe in Form von Vergissmeinnicht dem Mädchen die Nachricht, dass ihr Geliebter lebt und er sich noch an sie erinnert. Das Mädchen will dem Ruf ihres Herzens folgen und setzt ihre Suche fort.

 

Um die aufsteigende Magie zu zeichnen, nehme ich einen Rundpinsel mit einem mittelgroßen Durchmesser. Die Transparenz muss dabei auf den Druck reagieren. Ich male blaue Blitze in der Nähe der Hände, aber sie sehen rau und nicht sehr dynamisch aus. Da hilft mir ein Radierer mit den gleichen Einstellungen wie der vorherige Pinsel. Mit sanften Bewegungen entferne ich das, was übersteht, und verleihe den Strichen ein dynamischeres Aussehen. Mit einem Airbrush-Tool  ergänze ich ein wenig Glanz zur aufsteigenden Magie. Da die Statik immer noch vorhanden ist, gehe ich zu [Filter] > [Weichzeichnen] > [Bewegungsunschärfe]. Es gibt ein Popup-Fenster mit Schiebereglern, in denen ich mit der Unschärfe spielen kann. Am Ende benutze ich einen Spezialpinsel, der Sternenstaub imitiert.

 

 

Ich zeichne nicht alle Vergissmeinnicht-Blumen einzeln; ich bevorzuge, sie zu kopieren und einzufügen. Dann ändere ich ihre Größe, Rotation und Position. Wenn alle Blumen an ihren Plätzen angepasst sind, zeichne ich deren Schatten auf das Kleid. Das war‘s!

 

 

12.Fertig!

 

Ich hoffe, dir gefällt mein Kunstwerk und hoffe, dieses Tutorial war nützlich! Vielen Dank fürs Lesen!

 

Svetlana Tigai (bekannt als Tsvetka) ist eine freischaffende Illustratorin aus Kirgisistan.

In den letzten elf Jahren hat Svetlana an vielen verschiedenen Projekten gearbeitet, aber die meiste Zeit ihrer Karriere hat sie Fantasy-Illustrationen für Sammelkartenspiele gezeichnet.

 

Mehr von Svetlana‘s Arbeiten kannst du auf ihrer ArtStation-Seite finden: oder folge ihr auf Instagram