Erstelle Model-Sheets zum Designen deiner Charaktere

Der Illustrator Julio Robledo erklärt, wie man ein Modell-Sheet für einen Charakterentwurf erstellt. Du erfährst, wie du deine Ideen bei der Erstellung des Charakters umsetzen kannst, um deinen Charakter glaubwürdiger zu machen, und lernst, wie du die Seiten-, Dreiviertel- und Rückenansicht mittels der Vorderansicht gestaltest.

 

Einleitung

Designer von Stühlen, neuen Automodellen oder Raketen müssen stets die Abmessungen und den Aufbau eines Objekts bis ins Detail darstellen. Der Job eines Charakterdesigners ist dem sehr ähnlich – nur eben für Charaktere. Der Designer versucht einem anderen Zeichner, Modellierer oder Animator zu erklären, wie der Charakter im Detail aufgebaut ist. Dazu gehören auch seine Abmessungen, Mimik und Gestik, sowie seine grundlegenden Posen, Farben usw.

 

Zu wissen, was für den Beruf des Charakterdesigners benötigt wird, hilft dir nicht nur, beruflich in diese Richtung voranzukommen, sondern auch, deine Charaktere besser zu definieren und zu entwickeln, bis du einen Prototyp hast, der für dich am besten geeignet ist.

 

Die Regeln für professionelles Charakterdesign sind nicht sehr streng, das Ziel ist nur, die in den Entwürfen dargestellten Modelle bestmöglich zu erklären. In der Regel werden eine Reihe von Charakterentwürfen verwendet, oder auch Model-Sheets genannt, die im Folgenden aufgeführt sind und insbesondere für die Erstellung von Animationen verwendet werden.

 

 

Inhalt

  1. Charakterentwürfe
  2. Umdrehung des gesamten Kopfes
  3. Umdrehung des gesamten Charakters
  4. Farbpalette
  5. Mimik & Gestik
  6. Posen

 

Model-Sheets zum Designen eigener Charaktere

Der Charakter, den ich hier als Beispiel gewählt habe, ist eine Hexe. Diese Hexe passt nicht zum zeitgenössischen Archetypen. Sie ist weder gut noch nett und definitiv in keiner Weise naiv. Sie ist eine klassische Märchenhexe – sie ist das Böse in Person: Besitzergreifend, egoistisch, manipulativ, intrigant, sinnlich und verführerisch, wenn es ihrem Zweck dient. Ihr schönes und jugendliches Aussehen verbirgt eine schreckliche alte Frau, blind und glatzköpfig. Die Herausforderung besteht darin, diese beiden physischen Aspekte und all ihre psychischen Eigenschaften zu entwerfen: Gereizt, grausam, launisch… aber diszipliniert und beherrscht im Auftreten.

 

Sie kleidet sich wie eine mittelalterliche Nonne, eine Äbtissin.

 

 

Ihr doppelter, spitzer Hut gibt ihr einen „doppelten“ Touch; unheimlich und satanisch wie die gespaltene Zunge einer Schlange.

Mit ihren großen Augen, weiten Ärmeln und ihrer schlanken Silhouette erinnert sie den Betrachter an eine Gottesanbeterin. Dies muss in ihren Posen hervorgehoben werden.

 

 

Es ist notwendig, die Charaktere psychologisch zu verstehen, um sie darstellen zu können und in ihre Haut zu schlüpfen. Freud sagte, dass wir alle Charaktere sind, die in unseren Träumen erscheinen. Alle Charaktere und alle Archetypen leben in unserer Seele. Um sie darzustellen, musst du dich mit ihnen verbinden, wie Schauspieler, die das „Stanislawski-System“ umsetzen.

 

1. Charakterentwürfe

Der Zweck eines Charakterentwurfs besteht darin, die allgemeinen Proportionen des Charakters und die Anweisungen für andere Künstler, die ihn „zusammenbauen“, zu definieren.

 

Beginne für das Profil mit dem Kopf. Verwende das „Figurlineal“, um ein Quadrat zu zeichnen, und das „Gerade Lineal“, um es in vier gleiche Bereiche einzuteilen. Wende dich der unteren Hälfte des rechten Quadrats zu. Die rechte Hälfte des großen Quadrats gibt dir die Abmessungen des Gesichts. Das Auge und die Pupille befinden sich in der horizontalen Hälfte des Quadrats. Die Nase ragt aus dem großen Quadrat heraus. Der halbe Punkt des unteren rechten Quadrats markiert die Oberlippe. Wenn du eine Linie von der Nase zur Unterlippe ziehst, kannst du die Lippen platzieren. Das Ohr befindet sich auf gleicher Höhe wie die Nase und das obere Ende der Pupille.

 

 

Beginnen wir mit dem Aufbau der Figur: Die Proportionen werden normalerweise in Einheiten entsprechend der „Anzahl der Köpfe“ festgelegt. Ein beliebtes Modell für eine menschliche Figur ist die Größe von „8¾-Köpfen“. (Schau dir die Empfehlungen von John Buscema und Stan Lee in ihrem Buch How to draw comics the Marvel way an). Ich habe dieses Modell als Grundlage verwendet, aber ich habe den Kopf meines Charakters vergrößert und ihren Hals gestreckt. Dann habe ich die Größe ihres Torsos verkleinert und den ganzen Charakter auf ungefähr 6¾ oder fast 7 Kopfgrößen geschrumpft.

 

Ich habe jedoch die Module des Modells beibehalten, da viele Cartoonisten damit vertraut sind. Das zweite Modul markiert die Brust, die Taille bzw. der Bauchnabel liegt etwas über dem Ende des dritten Moduls, die Mitte der Figur wird durch die Leiste bzw. das vierte Modul markiert, das sechste durch die Knie und das achte durch die Knöchel. Dies sind die sieben Module des Körpers dieses Charakters, wobei der Kopf ein zusätzliches Modul und ein Viertel oben einnimmt.

 

Du kannst zum Zeichnen der Vorderansicht das „Symmetrische Lineal“ verwenden.

 


 

2. Vollständige Umdrehung des Kopfes

Eine Drehung oder Umdrehung muss mindestens eine Vorderansicht, eine Rückansicht, eine Seitenansicht und eine Dreiviertelansicht des Charakters enthalten. Ich werde es mit Farben zeigen, weil es mir hilft, die verschiedenen Ansichten zu erstellen und zu definieren. Erstelle zuerst die Seitenansicht und die Vorderansicht, indem du die vorherige Zeichnung wiederverwendest.

 

 

Zeichne dann mit dem „Lineal/Hilfslinie“ die Linien, in die die wichtigsten Elemente gehören sollen: die Mitte der Augen, das Kinn, die Augenbrauen, die Schultern usw. Skizziere zwischen der Vorder- und Seitenansicht die Dreiviertelansicht und definiere sie so, dass die drei Ansichten übereinstimmen.

 

 

 

Das ist die Dreiviertelansicht.

 

 

Verwende dann die Vorderansicht als Richtlinie, um die Rückansicht zu erhalten.

 


 

3. Umdrehung des gesamten Charakters

Stelle sicher, dass du deine Konstruktionszeichnungen und Kopfumdrehungen als Richtlinien zum Zeichnen der Körperumdrehung wiederverwendest. In diesem Beispiel verwendete ich den Aufbau als Grundlage in einer Ebene. Und in einer weiteren Ebene oben habe ich die Kopfumdrehung angepasst, bis beides übereinstimmte. Ab hier muss man nur noch die „Schaufensterpuppe“ ankleiden.

Mithilfe der blau markierten Hilfslinien stellst du sicher, dass die Elemente in allen verschiedenen Ansichten übereinstimmen.

 

 

Hier ist das Ergebnis: Die untere Hälfte des Charakters kann mehr stilisiert werden, weil sie noch keine Schuhe hat und ihr Rock nicht perspektivisch dargestellt ist:

 


 

4. Farbpalette

Der Zweck der Farbpalette besteht darin, alle Farben festzulegen, die die Figur charakterisieren.

 


 

5. Mimik & Gestik

Unser Charakter sieht immer noch etwas steif aus, wie eine Skulptur. Jetzt ist die Zeit gekommen, mit ihr zu spielen, sie zu bewegen, ihre Gefühle zu zeigen und zu sehen, wozu sie fähig ist. Der Entwurf für Mimik und Gestik deckt mindestens den grundlegenden Bereich von Emotionen und Reaktionen ab: Freude, Trauer, Wut, Überraschung, Misstrauen, Langeweile usw. Im weiteren Sinne versucht der Designer hier, tiefer in die Psychologie des Charakters einzutauchen, um seine Charakterzüge und Handlungsweisen zu definieren. Nachdem die Abmessungen und die Struktur des Charakters festgelegt sind, ist es zweckmäßig, eine sehr einfache Struktur zum Skizzieren zu verwenden (wie in der folgenden Skizze).

 

 

Lass dich gehen und hab Spaß beim Ausprobieren, konzentriere dich auf die Ausdruckskraft von Augen, Mund und Augenbrauen. Skizziere und gehe in einer anderen Ebene über die Linienzeichnungen.

 

 

Sobald du ungefähr sechs Versionen hast, bist du hiermit fertig!

 


 

6. Posen

Obwohl wir uns gerade auf das Gesicht konzentriert haben, definieren wir auch mit den Posen die typischen Körperhaltungen des Charakters und zeigen eine Ansicht des Charakters in ganzer Größe. Achte hier auf die Gesichtsausdrücke in den vorherigen Skizzen. Versuche beim Ausbessern und Kolorieren, die Abmessungen einzuhalten, die du dem Modell in der Konstruktionsphase gegeben hast.

 

 

Erinnerst du dich, dass wir den Betrachter mit dem Design dieses Charakters an eine Gottesanbeterin erinnern wollen? Diese unbewusste Identifikation wird unseren Charakter interessanter und bedrohlicher machen. Zeichne mindestens vier oder fünf Posen, und du bist fertig.

 

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die von Charakterdesignern verwendeten Charakterentwürfe dazu beitragen, alle Facetten eines Charakters zu entwickeln und das endgültige Modell zu finden, was manchmal eine wirkliche Herausforderung ist. Diese Entwürfe sind für die Animationsproduktion unverzichtbar, können aber auch für jedes Medium nützlich sein, das du zur Entwicklung deines Charakters auswählst.

 

Im Gegensatz dazu habe ich vor dem Prozess des Charakterdesigns die folgende Abbildung hinzugefügt, die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befand. Wie du siehst, hat sich das Design erheblich verändert.

 

 

Vielen Dank fürs Lesen dieser Anleitung!

 

Julio Robledo

Freiberuflicher Illustrator und Charakterdesigner

www.juliorobledo.carbonmade.com

www.juniusjulius.wordpress.com