So zeichnet man Gesichter

So zeichnet man Gesichter

In dieser Einleitung zu Gesichtsausdrücken stellt die Concept Art-Künstlerin Magda Prowski die Gesichtsanatomie sehr verständlich dar und erklärt, wie die Gesichtsstruktur mit dem Ausdrücken von Emotionen zusammenhängt. Schauen Sie sich dieses Tutorial an, um Ihre Charakterzeichnungen zu improvisieren und ausdrucksstarke Gesichter zu erschaffen!

 

Einleitung

Magdalena Proszowska, oder einfach Magda Proski, ist eine beliebte Künstlerin, die für ihre stilisierten, auffälligen Porträts und Illustrationen bekannt ist. Sie arbeitet als Senior Concept Artist im deutschen Ubisoft-Studio und ist derzeit voll und ganz in das Videospiel „Die Siedler“ involviert. Ihre Liebe zum Geschichtenerzählen und zur Weltenbildung lebt sie in ihren ausdrucksstarken Illustrationen mit lebensechten Figuren im Mittelpunkt aus. Magdalena ist eine autodidaktische Digitalkünstlerin, häufige Sprecherin bei lokalen Veranstaltungen und Gastdozentin im Bereich Game Art an den Hochschulen in Köln und Düsseldorf.

https://www.artstation.com/magdaproski

 

 

Aufbau des Kopfes

Das Gesicht ist eines der komplexesten Objekte beim Malen. Es ist voller Unebenheiten und Hohlräume wie jedes andere räumliche Objekt, aber das Gesicht spricht auch Bände, ruft Emotionen hervor und erzeugt die Illusion, dass es eine reale Person ist, die den Betrachter von einer flachen zweidimensionalen Leinwand aus ansieht. In der modernen Welt sind wir es gewohnt, umgeben von Fotos mit Menschen zu sein. Stell‘ dir mal die Zeiten vor, in denen es noch keine Fotografie gab. Was für ein unglaubliches Erlebnis das wohl war, ein gemaltes Porträt von einem Menschen zu sehen?!

 

 

Es gibt so viele Möglichkeiten, den menschlichen Kopf zu konstruieren wie es Künstler gibt. Der Kopf und das Gesicht bestehen aus unterschiedlichen Materialien: dem harten und unbeweglichen, knochigen Schädel, den weichen und flexiblen Muskeln, und Fett. Der Schädel kann auf drei geometrische Formen vereinfacht werden: eine ovale Kugelform, ein Kasten und ein Halbzylinder.

 

 

Lerne die Form des Schädels auswendig, wenn du deine Porträtfähigkeiten verbessern möchtest. Der Aufbau dieses Kopfteils ist für alle im Großen und Ganzen gleich. Wenn du einen korrekt aussehenden Schädel rekonstruieren kannst, kannst du das Gesicht auf jede erdenkliche Weise stilisieren und es immer glaubwürdig erscheinen lassen. Der Schädel hat nur einen beweglichen Teil – den Unterkiefer. Er hat ein ziemlich flexibles Gelenk; neben dem Öffnen und Schließen des Mundes kann er sich auch nach hinten und vorne, sowie seitlich hin- und herbewegen! Versuche es selber einmal, indem du deinen Unterkiefer nach vorne schiebst oder mit den Zähnen knirschst, dann weißt du, was ich meine.

 

 

Um das alles zu ermöglichen, wurde unsere Kinnlade zu etwas ganz Besonderem. Wenn du den Mund öffnest, ist das Kiefergelenk (Drehmittelpunkt) nicht feststehend, sondern dein ganzer Unterkiefer bewegt sich leicht nach vorne! Lege deinen Finger auf eine deiner Wangen, wo du den Knochen fühlen kannst. Nun öffne und schließe deinen Mund, um die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des Unterkiefers zu fühlen. Jetzt weißt du auch, warum du das Kinn nach vorne bewegen musst, wenn du eine Person mit offenem Mund zeichnest, um ein glaubwürdiges Aussehen zu bekommen.

 

 

Der Kopf und seine Abmessungen

Der Schädel ist sehr wichtig für die Grundkonstruktion des Gesichts, aber das was ihn wirklich zu einem einzigartigen Gesicht werden lässt, sind die am Knochen befestigten Gewebeteile. Wie bereits erwähnt, ist der Schädel von Muskeln und Fett bedeckt. Einige Bereiche sind ziemlich dünn, so dass du die Form des Schädels darunter leicht erkennen kannst. Andere Regionen sind hingegen ziemlich dick und verändern sich extrem bei den unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken.

 

 

Das grüne Muster auf dem Gesicht zeigt die Bereiche an, bei denen die Haut am dünnsten ist und du die Knochen darunter fühlen kannst. Diese Gesichtsbereiche sind von sehr dünnen Muskeln und wenig Fett bedeckt, was zu minimalen Formänderungen führt. Wenn es um Bereiche wie Wangen, Lippen und die Haut um die Augen geht, können sie sich je nach Gesichtsausdruck stark verändern. Es ist allerdings gut zu wissen, dass sich dennoch die Oberfläche an diesen Stellen ändert, und zwar durch Anspannung und Zusammenziehen der Haut.

 

Wenn du den Schädel drauf hast, kommt das Zweitwichtigste, das du dir merken musst und das ist die ovale Form des Gesichts. Das Gesicht ist keine flache Ebene, die sich im Raum bewegt. Du darfst niemals vergessen, dass sich alle Wesensmerkmale auf der runden Oberfläche des Kopfes bewegen.

 

 

Gesichtsausdrücke

Wenn du lachst, hebst du nicht nur deine Mundwinkel an. Da sind eine Reihe von Muskelbewegungen in deinem Gesicht involviert, die es zu einem echten Lachen werden lassen. Augenbrauen, Augenform, Nasenflügel, Form des Mundes und vieles mehr – alles verschiebt sich entsprechend der Emotion.

 

Beobachte mal deine Freunde oder mache verschiedene Mienenspiele und betrachte dich dabei im Spiegel, um zu lernen, wie unterschiedlich Menschen ihr Gesicht zum Ausdrücken von Emotionen einsetzen. Du wirst dich im Handumdrehen verbessern und deine Charaktere werden viel glaubwürdiger als zuvor sein!

 

1 Neutral, 2 Freude, 3 Trauer, 4 Schock, 5 Angst, 6 Wut, 7 Eckel

 

Die hier gezeichneten Gesichtsausdrücke zeigen vereinfacht die emotionalen Grundlagen durch Anzeige der Muskelbewegungen (grüne Pfeile) und Entstehung von Falten (blaue Linien). Wenn du deine Charaktere jung halten willst, empfehle ich dir Falten nicht mit schwarz zu zeichnen. Für Zeichnungen gilt generell: Je mehr Falten in dem Gesicht sind, desto älter sieht der Charakter aus. Es kann auch ins Abstoßende driften, das kommt auf den Kontext an. Konzentriere dich lieber auf die feinen Formen von Auge, Augenbraue und Mund; sie haben ein wirklich großes Spektrum an Bewegungen.

 

Bewegungen der Augen und Augenbrauen

Leute sagen zu den Augen oft, dass sie die Seele widerspiegeln. Es stimmt, dass Augen sehr starke Wesensmerkmale des Gesichts sind. Die Augen alleine lassen dich wissen, ob eine Person lacht, ängstlich oder wütend ist! Das liegt an den vielen Muskelgruppen, die sich um die Augen befinden. Das Augenlid kann extrem hochgezogen werden, so dass die gesamte Iris sichtbar wird, oder das Auge kann zusammengekniffen werden, wobei Falten entstehen. Die Augenbrauen an sich haben separate Muskelgruppen für deren inneres und äußeres Ende, deshalb kann jeder seine Augenbrauen nach oben ziehen oder eine Wellenform bilden! Zusätzliche, spezielle Muskeln über der Nase können beide Augenbrauen zusammenziehen.

 

 

Schau‘ dir einmal die Zeichnungen oben genauer an. Das sind nur einige Beispiele von möglichen Ausdrucksformen von Emotionen, die sich auf die Augen stützen. J1, J2 und J3 zeigen Emotionen der Freude. Die Augenbraue ist entspannt oder etwas nach oben gewölbt. Sehr wichtig an dieser Stelle: Der äußere Augenwinkel wird durch die Wange nach oben geschoben und zusammengekniffen, wenn wir lächeln. Dieses Zusammenkneifen zeigt eindeutig, ob es sich um ein echtes oder erzwungenes Lächeln handelt.

 

 

A1, A2 und A3 drücken Wut und Ekel aus. Die Muskeln über der Nase kommen hier richtig zum Einsatz. Das Runterdrücken und Zusammenziehen der Augenbrauen erzeugt viele Fältchen zwischen den Augenbrauen und dem Nasenrücken.

 

F1, F2 und F3 zeigen einen Schock- oder Angstzustand. Das ist der einzige Gesichtsausdruck, wo du die ganze Iris zeigst und sie nicht das Lid berührt. Bei weit aufgerissenen Augen können verschiedene Augenbrauenformen emotional unterschiedlich interpretieren werden; das geht von überrascht bis hin zu entsetzt.

 

Bewegung des Mundes

Die Lippen sind umgeben von verschiedenen Muskelgruppen, was eine Unmenge an Verformungen zulässt. Deshalb können so nicht nur Gefühle ausgedrückt werden, sondern wir können deshalb auch eine Vielzahl an Tönen von uns geben. Unten siehst du einige Beispiele für Ausdrücke von Freude, Angst und Wut. Wenn du einen offenen Mund zeichnest, sei dir bewusst, dass das Kinn dann tiefer liegen muss. Die Oberlippe kann nach oben gezogen sein, so dass die Zähne in einer leichten Kurve sichtbar werden, wie beim Lachen in S2 und S3. Oder aber es wird zu einer mehr aggressiven Linie, was Wut und Ekel ausdrückt (G1, G2 und G3).

 

 

Hast du dich jemals gefragt, warum der Mundwinkel eine leicht geschwungene Linie hat? Am Mundwinkel befindet sich ein Knotenpunkt (N), an dem viele Muskeln zusammenlaufen. Siehe in Zeichnung S1. Dieser Knotenpunkt hat eine ovale Form, welche eine leicht geschwungene Kurve (Schatten) am Mundwinkel hervorruft.

 

 

Die Mundmuskulatur kann unsymmetrisch arbeiten. Du kannst schließlich auch nur mit einem Mundwinkel lächeln. Schau‘ dir im Spiegel an wie viele Gesichter du hinbekommst!

 

Bewegung der Nase

Die Nase ist ein oft unbeliebtes Merkmal bei Emotionen, aber wenn man sie richtig einsetzt, kann sie zu einem nützlichen Accessoire für einen Gesichtsausdruck werden. Das unterstreicht N4; hier siehst du gestreckte Nasenlöcher zusammen mit dem Mund. Die Nasenlöcher weiten sich, wenn man einatmet. Das kann einen starken Ausdruck bei deinem Charakter hervorrufen, wie die Zeichnung N5 zeigt. Bei Ekel oder Wut kräuseln wir unsere Nase wie in N2 und N3.

 

N1 Neutral, N2 Ekel, N3 wütender Ekel, N4 Schock, N5 Ernst

 

Um diese Einleitung zu Gesichtsausdrücken abzuschließen, rate ich dir, keine Angst vor dem Ausprobieren zu haben. Kombiniere verschiedene Emotionen und kreiere einzigartige Ausdrücke deiner Charaktere. Noch wichtiger: Lerne von der Natur! Der Spiegel ist ein grundlegendes Utensil für jeden Charakterdesigner.

 

Beim Zeichnen von Illustration konzentriert man sich auf Gefühlsausdrücke.

Wenn du die Grundlagen verstehst, hast du unbegrenzte Möglichkeiten, deinen Charakteren einen eigenen Touch zu geben. Lass‘ uns nochmal zum Anfang dieses Tutorials zurückgehen, wo ich die grundlegenden Formen gezeigt habe. Wenn wir diese Proportionen auf diese Elemente anpassen, wird es uns möglich, stilisierte und glaubwürdige Gesichter zu kreieren.

 

 

Das Arbeiten mit diesen einfachen geometrischen Formen hilft uns auch bei der Änderung der Perspektive auf den Kopf. Ich habe mich hier für einen niedlichen Charakter mit großen Augen entschieden. Also habe ich den mittleren Kasten vergrößert und den Halbzylinder verkleinert. Im nächsten Schritt habe ich einen Schädel gezeichnet, der zu diesen Proportionen passt, und dann einfach ein ganzes Gesicht draufgesetzt.

 

 

Um das Lachen authentisch wirken zu lassen, habe ich mir gemerkt, dass ich die Augenbrauen höher zeichnen und durch den offenen Mund das Kinn weiter nach unten setzen muss. Hier siehst du wie der gestreckte Mund die Wange hochhebt und eine rundere Form verlangt.

 

 

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